Seit einem Jahr ist das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) in Kraft. Dass dieses Gesetz notwendig ist, das haben vor allem diejenigen Unternehmen und politischen Kräfte zu verantworten, die trotz dringender Appelle und intensiver gesellschaftlicher Diskussionen durch Nichtstun bewiesen haben, dass freiwillige Selbstverpflichtungen nichts bewirken. Zu den diese Position vehement vertretenden Kräften zählte auch die FDP, damals in der Opposition.
In diesen ersten zwölf Monaten seiner Gültigkeit kann eine erste positive Bilanz gezogen werden. Natürlich hakt es an der einen oder anderen Regelung zur Umsetzung. Und ja, die Praxis wird auch in den kommenden Monaten noch Stellen aufzeigen, an denen nachjustiert werden muss, damit das Gesetz seinen Zweck erfüllt.
Allerdings erleben wir seit einem Jahr auch, dass gegen eine verbindliche menschenrechtliche Sorgfaltspflicht auf zwei Ebenen geschossen wird: Es sei in der Umsetzung ein Bürokratiemonster – und außerdem brauche es für alle Unternehmen (mindestens) in Europa gleiche Verpflichtungen, sonst führe das Gesetz zu Wettbewerbsnachteilen für deutsche Unternehmen.
Dass es auf der europäischen Ebene bald eine Richtlinie zum Schutz der Menschen-, sozialen und Umweltrechte entlang der Wertschöpfungsketten geben wird, entspricht eigentlich der berechtigten Forderung der deutschen Unternehmen nach gleichen Marktbedingungen.
In den vergangenen Monaten wurde allerdings immer mehr Druck von Seiten einiger Unternehmensverbände aufgebaut, um zum einen das deutsche Gesetz aufzuweichen und zum anderen die europäische Richtlinie ganz zu verhindern. Das zeigt: Es geht nicht um gleiche Chancen, sondern darum, gesetzliche Verpflichtungen zum Schutz von Menschenrechten möglichst ganz zu kippen.
Nun hat das Präsidium der FDP beschlossen, dass sie die vorliegende Fassung der europäischen Richtlinie ablehnt. Wenn die FDP-Minister sich diese Position zu eigen machen und im Kabinett blockieren, dann hätte das zur Konsequenz, dass sich Deutschland im Rat bei der Abstimmung enthalten müsste. Das könnte zur Folge haben, dass die Richtlinie trotzdem, ohne deutsche Zustimmung von den anderen EU-Mitgliedsstaaten beschlossen wird. Möglich ist aber auch, dass die Richtlinie scheitert, weil andere Mitgliedsstaaten die deutsche Enthaltung zum Anlass nehmen, die Verabschiedung zu verhindern.
In beiden Fällen bedeutet dies: Deutschland blamiert sich bis auf die Knochen und die Interessen der deutschen Wirtschaft werden auf europäischer Ebene schlecht vertreten. Damit hätte dann die FDP im Ergebnis sowohl der Regierung, der sie angehört, dem eigenen Land und auch den Unternehmen in Deutschland, vor allem aber dem Zweck der Richtlinie, Menschen- und Umweltrechte zu stärken, einen Bärendienst erwiesen.
Ob es so kommt, das wird in diesen Tagen verhandelt. Es schadet keineswegs, wenn der Justizminister und der Bundeskanzler Hinweise dazu bekommen.
Andrea Arcais
Geschäftsführer