In den dunklen Wintertagen, auf die noch die Bundestagswahl ihren Schatten wirft, habe ich einmal wieder etwas Erhellendes lesen wollen und mir „Das Kapital des Staats“ von Marianna Mazzucato aus dem Jahr 2013 (2023 im Campus Verlag) gegriffen. Das Buch wurde ursprünglich als politische Intervention geschrieben gegen den Rückbau des Staats in Großbritannien und gehört inzwischen zum Kanon relevanter Literatur der Volkswirtschaft.
Es ist ein Buch, das von seiner kühnen politischen Argumentationslinie lebt, die reichhaltig mit empirischen Daten unterlegt wird. Ein paar kritische Stimmen der politischen Öffentlichkeit stören sich an der starken Fokussierung auf nur wenige Beispiele und damit einem Ausblenden gegenteiliger Erkenntnisse für das Gesamtbild der wirtschaftlichen Rolle des Staats. Allerdings: Auch wenn Mazzucato im großen Kontext argumentiert, ist ihr Fokus deutlich enger und die von ihr gewählten Beispiele sind wohl gewählt. Es geht darum: Was war erfolgreich? Die empirischen Daten sind für das Argument gültig und ermöglichen Schlüsse, was nach dieser Erfahrung im Prinzip getan werden sollte. Auch wenn es historisch Gegenbeispiele gibt, wo der Staat eingegriffen hat und die Maßnahmen nicht erfolgreich zu Innovation und Wachstum beitragen konnten. Die Financial Times jedenfalls, ein nicht für linke Ideen staatlicher Planung verdächtiges Blatt, hatte das Buch nach der Veröffentlichung auch als in sich richtig und relevant eingeordnet.
Was ist nun das Argument? Dass der Staat und staatliche Institutionen sehr erfolgreich investiv sein können und deshalb die Rolle des Staats nicht reduziert werden darf auf das Korrigieren von Marktversagen. Der Staat kann Innovation dynamisieren und sollte aktiv werden an den Stellen, an denen sich keine privaten Investoren oder Unternehmen engagieren. Deshalb ist es von zentraler Bedeutung, aus den Erfahrungen heraus zu verstehen, wie staatlich investives Handeln für Innovation funktioniert und wie anschließend die Unternehmen diese Innovation in höchst sinnvolle und wirtschaftlich erfolgreiche Produkte umwandeln konnten.
Ein zentrales Beispiel ist dabei Apple. Mazzucato beschreibt, wie das Unternehmen nur innovativ sein konnte, weil der Staat vorher die grundlegenden Erfindungen (CPU, DRAM, HDD, LCD, Li-pol/Li-ion, DSP, FTT, http, HTML, Mobilfunk, Satellitennavigation, GPS, Clickwheels und Touchscreens, Spracherkennung) über die riskantesten Entwicklungsphasen hinweg unterstützt hat, die danach dann mit geringerem Risiko und unter einer – durchaus genialen – Führung von Steve Jobs in der so vorhandenen Innovations-Architektur weiterentwickelt und eingesetzt werden konnten. Für die Dekarbonisierung als wirtschaftliche Mammutaufgabe sollten die Mechanismen gewissenhaft analysiert und daraus die richtigen Schlüsse gezogen werden, die passenden angebots- und nachfrageorientierten politischen Instrumente einzusetzen.
Es geht Mazzucato in ihrem Buch daneben auch darum, dem vorhandenen negativen Bewusstsein gegenüber dem Staat etwas entgegenzusetzen. In Anbetracht der aktuellen deutschen Öffentlichkeit ist vor den Wahlen klar sichtbar, wie wichtig das ist. Die Menschen müssen in diese Kraft staatlichen Handelns und staatlicher Institutionen vertrauen können, um Veränderungen und auch Kosten dieser Veränderungen zu akzeptieren. Denn Letztere müssen diskutiert werden können, um sie gerecht zu verteilen. Das aktuelle Problem ist, dass, auch wenn es im Grunde genommen genügend Information gibt über die ökologische Revolution, die gerade stattfindet, sie die Menschen nicht erreicht. Die Medien stellen keinen verbindlichen Filter in der Informationsflut mehr dar, die Informationen in richtig und falsch zu sortieren und eine verlässliche politische Öffentlichkeit herzustellen. Viel zu wenig werden Personen infrage gestellt, wenn sie faktenfrei argumentieren. Das gilt natürlich auch für Parteiprogramme, die den Wählern fiskalische Versprechungen machen, die im Rahmen des Staatshaushalts realistisch nicht zu halten sind.