Wärmewende aus Sicht von Arbeitnehmer*innen:
Ist der Wandel im Wärmesektor ökologisch zielführend, sozial gerecht und wirtschaftlich nachhaltig?
Wie kann der Wandel im Wärmesektor ökologisch zielführend, sozial gerecht und wirtschaftlich gestaltet werden? Mit diesen Fragen beschäftigte sich eine gemeinsame Veranstaltung des INEP-Instituts und der Stiftung Arbeit und Umwelt der IGBCE im Rahmen der Betriebsräteplattform des Kopernikus-Projekt ENavi am 18.11.2019 in Berlin.
Um die Klimaschutzziele 2030 und 2050 zu erreichen, müssen Häuser und Gebäude in Deutschland schnell und deutlich energieeffizienter werden. Bis 2050 soll der Primärenergieverbrauch im Gebäudebereich um mindestens 80 Prozent sinken. Dazu müssen die Gebäude besser gedämmt, die Wärmeerzeugung muss CO2-arm und erneuerbare Energien sowie synthetische Brenn- und Kraftstoffe zum Standard für Heizung und Warmwasser werden. Kurz: Die Gebäude müssen energetisch saniert, auf emissionsarme Energieträger und digitalisiertes Wärmemanagement umgestellt werden. Das sind die Ergebnisse der Fachtagung.
Der notwendige Umbau im Wärmesektor kann Arbeitnehmer*innen in doppelter Hinsicht treffen. Einerseits müssen sie sich als Mieter*innen oder Hausbesitzer*innen mit den erforderlichen energetischen Sanierungen ihrer Wohnungen und Häuser und den damit verbundenen Kosten auseinandersetzen. Auf der anderen Seite wird der Wandel im Wärmesektor zu Veränderungen in mehreren betroffenen Branchen und damit zu Veränderungen von Arbeit und den dazu benötigten Qualifikationen führen, nicht zuletzt rund um die Technologien zur Wärmeerzeugung sowie Dämmung.
Dr. Matthias Miersch, Mitglied des Bundestages und stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion für die Bereiche Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit; Energie; Ernährung und Landwirtschaft sowie Tourismus betonte: „Die Politik muss die Maßnahmen des Klimaschutzprogramms schnell umsetzen. Nur so kann die Verunsicherung der Verbraucher beendet und Investitionen getätigt werden. Für die sozial-ökologische Transformation brauchen wir darüber hinaus einen aktiven Staat, der mit einem großangelegten Investitionsprogramm die öffentliche Daseinsvorsorge stärkt. Das Klimaschutzgesetz ist ein Quantensprung für verbindlichen Klimaschutz. Es verpflichtet jeden einzelnen Minister die Planung einzuhalten. Jeder Minister, der sich nicht an die Ziele hält, wird sich verantworten und Sofort-Maßnahmen zur Zielerreichung vorlegen müssen.“
Die mit der Wärmewende erforderlichen technologischen Innovationen müssten daher mit sozialen Innovationen einhergehen, forderte Iris Tuttlies, Geschäftsführerin des Internationalen Institut für Nachhaltiges Energiemanagement, Politik, Risiko und Soziale Innovationen (INEP Institut Oldenburg).
„Beim Klimaschutz in Deutschland wird bislang sehr viel über Strom und wenig über Wärme geredet. Knapp ein Drittel der Treibhausgasemissionen stammt aber aus dem Gebäudesektor. Deshalb müssen energetische Sanierungen von bestehenden Gebäuden und intelligente Wärmemanagementlösungen in Neubauten vorangetrieben werden“, gibt Dr. Kajsa Borgnäs Geschäftsführerin der Stiftung Arbeit und Umwelt zu Bedenken. „Schon allein mit moderner Dämmung ließe sich der Energiebedarf des bestehenden Gebäudebestands erheblich reduzieren. Doch müssen wir die Wärmewende sozialverträglich gestalten. Dazu gehört nicht zuletzt die Sicherung der qualifizierten Facharbeit sowie guter Tarif- und Arbeitsbedingungen in den betroffenen Branchen.“
Prof. Dr. Ortwin Renn, ENavi-Projektsprecher und wissenschaftlicher Direktor am Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung (IASS) stellte den Ansatz und die Grundzüge des Kopernikus-Projekt Energiewende-Navigationssystem | ENavi vor. „Der Ansatz kombiniert verschiedene Handlungen, die unbeabsichtigte Nebenwirkungen abmildern und gleichzeitig den gewünschten Nutzen verstärken. Die erforderlichen Maßnahmen und Kosten der Wärmewende sollen sozial gerecht verteilt werden“, so Ortwin renn.
Peter Marrek, Konzernbetriebsratsvorsitzender der swb AG und Christian Wystub, BR-Vorsitzender der Vattenfall Wärme Hamburg GmbH schilderten auf Basis von Praxisbeispielen aus Arbeitnehmer*innensicht die zukünftigen Anforderungen für kommunale Wärmeversorger.
Die Vertreter*innen von Gewerkschaften und Betriebsräten, aus Politik und Wissenschaft forderten die Regierung in der Diskussion zum Ende der Veranstaltung auf, schnell gesetzliche und finanzielle Rahmenbedingungen für eine Wärmewende zu schaffen, um die Klimaziele aus dem Klimaschutzgesetz für 2030 zu erreichen. Hierbei sei eine frühzeitige Einbindung von Beschäftigen und Betriebsräten unerlässlich für eine sozial gerechte und erfolgreiche Transformation.