Die introvertierte Museumsarchäologin Mia Sund wird aus ihrer Greifswalder Büroruhe gerissen: Auf ihrem Tisch landet ein merkwürdiger grüner Teppich, dessen Herkunft sie klären soll. Er lässt sie nicht mehr los. Langsam entspannen sich zwei Geschichten: Die wahre Geschichte der alten Fischerteppiche vom Greifswalder Bodden. Entstanden sind sie Ende der 1920er Jahre als staatliche Arbeitsbeschaffungsmaßnahme, die arbeitslos gewordenen Fischern das Überleben sichern sollte. Und die persönliche Geschichte der Kuratorin Mia, die so in sich gekehrt ist, weil sie das Geheimnis ihres Lebens bewahren will.
Der Roman ist spannend und wunderschön zu lesen. Gleichzeitig ist er hochpolitisch. Die Fischerteppiche sind das Ergebnis von Strukturpolitik. Preußische Hilfsgelder für notleidende Fischer sollten damals von den jeweiligen Landräten verteilt werden. Die meisten gaben das Geld direkt an die Betroffenen weiter. Nur in Greifswald entschied man, Strukturen aufzubauen, mit denen die Fischer sich neue Einkommensquellen erschließen konnten. Teppichknüpfen konnten die Fischer leicht lernen: Sie hatte ihre Netze immer selbst repariert. Die neue Arbeit schloss unmittelbar an ihre speziellen Fähigkeiten an. Später entstanden genossenschaftliche Strukturen für den Vertrieb, die den zweiten Weltkrieg und die Nazis allerdings nicht überlebt haben.
Da zeigt sich: Fast nichts, was wir heute diskutieren, ist neu. Manchmal lohnt es sich, einen Blick zurückzuwerfen.
Dr. Regina Weber