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Karrierewege stärken – Gleichstellung und Weiterbildung in der Chemie- und Pharmaindustrie
Im Rahmen des zweiten INDUSTRIEECHOs diskutierten Expertinnen über die Herausforderungen und Chancen für Frauen in der Chemie- und Pharmaindustrie. Im Fokus stand die Frage, wie Gleichstellung in den Unternehmen durch Weiterbildungsprogramme gelingen könne.
Am 9. Dezember 2024 fand das zweite Online-Fachgespräch aus der Reihe INDUSTRIEECHO statt, diesmal zum Thema „Karrierewege stärken – Gleichstellung und Weiterbildung in der Chemie- und Pharmaindustrie“. Anlass war eine neue Studie zu diesem Thema, welche voraussichtlich Anfang 2025 erscheinen wird. Die Diskussion beleuchtete die spezifischen Chancen und Hindernisse für Frauen in den beiden Branchen und stellte Fragen zur Weiterentwicklung der beruflichen Weiterbildung, um diese zukünftig als Hebel für die Gleichstellung im Betrieb nutzen zu können.
Ein kritischer Status quo mit Potenzial
Dr. Indira Dupuis von der Stiftung Arbeit und Umwelt der IGBCE eröffnete die Veranstaltung mit einer klaren Botschaft: In der Chemie- und Pharmaindustrie fehlt es an Investitionen in die Personalentwicklung, die erforderlich wären, um die dynamischen Anforderungen der Branche zu bewältigen. Die vorgestellte Studie beschreibt, wo Frauen im Beruf zurückfallen und wo entsprechend angesetzt werden müsste mit spezifischen Qualifizierungsprogrammen.
Die Herausforderungen im Überblick
1. Frauen in der Chemie- und Pharmaindustrie
Die Branche beschäftigt rund eine halbe Million Menschen, wobei Frauen vor allem in naturwissenschaftlichen Forschungsberufen, dual ausgebildeten technischen Berufen sowie in Verwaltung und Marketing tätig sind. Je höher die Hierarchiestufen, desto geringer der Frauenanteil, wobei zuletzt der Anteil von Frauen eher in Führungspositionen zugenommen hat. Prof. Dr. Sabine Pfeiffer, Professorin am Lehrstuhl für Soziologie mit dem Schwerpunkt Technik – Arbeit – Gesellschaft, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, wies darauf hin, dass Frauen zwar inzwischen vermehrt in MINT-Berufen vertreten seien, dies jedoch nicht zwangsläufig zu einem beruflichen Aufstieg führe.
2. Vereinbarkeit von Beruf und Familie
Ein zentrales Problem bleibt die sogenannte „Teilzeitfalle“, die Frauen häufig daran hindert, sich beruflich weiterzuentwickeln. Das Dilemma ist außerdem: Fortschrittliche Unternehmen bieten heute Fördermaßnahmen zur Gleichstellung im Betrieb an, diese sind oft zu wenig bekannt. Es braucht flexiblere Betreuungsangebote, eine Anerkennung von Care-Arbeit und auch Qualifizierungsmaßnahmen, um Gleichstellung voranzutreiben.
3. Qualifizierung als Schlüssel zur Transformation
Weiterbildung ist in der Chemie- und Pharmabranche essenziell. Die Unternehmen investieren zwar grundsätzlich in Weiterbildung, aber nur wenig in formale Weiterbildung. Trotz der Qualifizierungsoffensive Chemie werden die tariflich ausgehandelten Möglichkeiten nicht zufriedenstellend genutzt. Frauen, die oft Care-Arbeit leisten, haben zusätzliche Hürden, Weiterbildungsmaßnahmen in ihren Alltag zu integrieren. Zudem mangelt es an Transparenz und zielgerichteten Angeboten. Prof. Pfeiffer bestätigte aus ihrer Forschung, dass Weiterbildung oft nur im Rahmen eigener Bedarfe in den Unternehmen gefördert wird, während die Planung langfristiger Karrierewege den individuellen Beschäftigten überlassen ist.
4. Transformation und Arbeitsplätze
Die Branche steht vor einem Wandel, der momentan sowohl Arbeitsplatzabbau als auch neue Chancen mit sich bringt. Frauen haben aktuell eine bessere Ausgangslage, da sie in Berufen arbeiten, die noch nicht automatisiert werden bzw. aus denen sie sich gegebenenfalls in angrenzende Tätigkeiten weiterentwickeln können. Dennoch führt die zunehmende Technologisierung zu Unsicherheiten und einem Abwerten bestehender Kompetenzen. Einigkeit bestand daher, dass strategische Personalentwicklung intensiviert werden müsste.
Diskussionsrunde: Perspektiven und Lösungsansätze
In der Diskussionsrunde betonten die Teilnehmerinnen, dass Gleichstellung und Weiterbildung zusammen betrachtet werden müssen. Anke Heinisch (stellv. Betriebsratsvorsitzende BASF Personal Care and Nutrition) und Sandy Richter (Betriebsratsvorsitzende, IDT Biologika) forderten, Frauen stärker in betriebliche Mitbestimmungsprozesse einzubeziehen. Zudem müsse Weiterbildung flexibler gestaltet werden, um den Bedürfnissen von Frauen – insbesondere in Teilzeit oder Schichtarbeit – gerecht zu werden.
Fazit
Das Fachgespräch machte deutlich, dass eine gute Organisation von beruflicher Weiterbildung die Gleichstellung von Frauen unterstützen kann und beides für die innovative Chemie- und Pharmaindustrie zentral ist. Es braucht gesellschaftliche, sozialpartnerschaftliche und betriebliche Ansätze, um Frauen gezielt zu fördern und Chancengleichheit zu schaffen. Die Dynamik in den Branchen birgt dafür große Potenziale.
[Autorin: Verena Frank, unterstützt durch Künstliche Intelligenz]