Online-Fachgespräch
Mit beruflicher Qualifizierung zukunftsweisend Fachkräftebedarfe sichern für die Wasserstoffwirtschaft
Durch die Einstellung der Kohleverstromung gehen viele Arbeitsplätze in der Industrie verloren. Gleichzeitig brauchen nachgelagerte Wertschöpfungsketten neue Energie- und auch Rohstoffquellen – auch im Mitteldeutschen Revier in Sachsen-Anhalt. Ein Baustein der klimaneutralen Entwicklung ist die Wasserstoffwirtschaft, deren Ausbau gefördert wird. Eine Chance für die Fachkräftesicherung?
Um mehr Unabhängigkeit von Energieimporten zu schaffen und um die gesteckten Klimaziele zu erreichen, wird im Rahmen der Energiewende in Deutschland eine Wasserstoffwirtschaft aufgebaut. In dieser Übergangsphase muss aus der Perspektive der Fachkräftesicherung ein Weg gefunden werden, um auch für die Beschäftigten in der sachsen-anhaltinischen Industrie eine nachhaltige Berufsperspektive zu schaffen und die Abwanderung von Schulabgänger*innen in andere Bundesländer und Branchen zu verhindern. Wie dies gelingen kann, war die zentrale Frage im Online-Fachgespräch „Mit beruflicher Qualifizierung zukunftsweisend Fachkräftebedarfe sichern für die Wasserstoffwirtschaft“ am 9. April 2024, zu welchem die Stiftung Arbeit und Umwelt der IGBCE gemeinsam mit Standort Halle des DGB-Projekts Revierwende eingeladen hat.
Fest steht: Für viele Branchen ist der Fachkräftemangel eine der größten Herausforderungen. Dies gelte auch für die Berufsgruppen, deren Qualifikationen und Kompetenzen für den Aufbau einer Wasserwirtschaft notwendig seien, unterstrich Markus Behrens, der Vorsitzende der Geschäftsführung der Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit Sachsen-Anhalt, Thüringen, mit Blick auf den Fachkräftebedarf in der Wasserstoffwirtschaft. So sei im Januar 2022 vor allem der Anteil der ausgeschriebenen Stellen für hochkomplexe Tätigkeiten (Experten) mit über 50 % Anteil an allen Stellen ausgesprochen hoch gewesen. Gefolgt von Stellen mit einer fachlich ausgerichteten Tätigkeit (Fachkräfte) mit knapp 35 % Anteil an allen Stellen.
Thomas Felkl vom Projekt H2Pro vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) schloss mit seinem Input zu den notwendigen Qualifizierungsbedarfen an. Es zeigt sich, dass eine „Wasserstofffachkraft“ nicht notwendig sei, sondern auf bereits etablierte Ausbildungsberufe zurückgegriffen werden kann. Hier sei es dann aber unerlässlich das Thema „Wasserstoff“ in die betriebliche Ausbildung zu integrieren und gleichzeitig Fortbildungsbedarfe für ältere Beschäftigte zu ermitteln und anzubieten. Dafür sei vor allem eine bessere Vernetzung sämtlicher Akteure wünschenswert.
Die Erkenntnisse der ersten beiden Vorträge spiegelten auch die Ergebnisse einer Bestandsaufnahme zu den betrieblichen Bedarfen in der Wasserstoffwirtschaft in Sachsen-Anhalt wider. Über die Ergebnisse der von der Revierwende beauftragten Studie hinaus, wiesen Dr. Hilmar Preuß und Rico Beweries, beide Projektreferenten am Standort Halle, darauf hin, dass es zu wenig Trainer*innen und Expert*innen für den aktuellen Qualifizierungsbedarf gäbe. Daher brauche es niedrigschwellige Angebote sowie die Öffnung von Universitätsmodulen für Fachkräfte. Die bisher fehlende Vernetzung der Akteure biete vor allem den Gewerkschaften eine gute Gelegenheit, diese Lücke zu schließen und die Rolle als Vernetzer und Multiplikator zu übernehmen. Ergebnis ihrer Erhebung sei nämlich auch, dass die von ihnen befragten Unternehmen, Betriebsräte/Gewerkschaften und Expert*innen diese Vernetzung als gut wahrnähmen.
An der im zweiten Teil der Veranstaltung geführten Podiumsdiskussion zur Frage von politischen und betrieblichen Handlungsbedarfen nahmen Stephanie Albrecht-Suliak (Landesbezirksleiterin Landesbezirk Nordost, IGBCE), Anja Michael (Leiterin der Ausbildung und Personalentwicklung, Mibrag, Standort Profen), Jörg Pelloth (Referatsleiter für Fachkräfte, Berufliche Weiterbildung, Grundsatz Zuwendungen und Beihilfe im Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung, Sachsen-Anhalt) und Frank Franke (Gewerkschaftssekretär ver.di Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen) teil. Auch hier wurde deutlich: Damit die Transformation der Industrie, vor allem auch der chemischen Industrie, gelingen kann, muss sie gemeinsam von den Sozialpartnern gestaltet werden, flankiert von Fördermitteln durch die Politik. Dazu brauche es Gespräche auf allen Ebenen und die Einbindung sämtlicher Akteure. Das Qualifizierungsniveau der Beschäftigten in der chemischen Industrie sei sehr hoch und biete großes Potenzial – auch beim Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft in Sachsen-Anhalt. Um hier erfolgreich gestalten zu können, braucht es in den Betrieben Planungssicherheit für eine weitreichende und vorausschauende Personalplanung und -entwicklung.
Lesen Sie dazu auch unser Diskussionspapier