Konferenz der Stiftung Arbeit und Umwelt

„Solange der Kopf klar ist, sind wir mitverantwortlich“

Die IGBCE und die Stiftung Arbeit und Umwelt haben zentralen Fragen zur Gestaltung der Transformation eine eigene Konferenzreihe gewidmet. Thema am 04. Juli war „Transformation geht nur demokratisch, in Gesellschaft und Betrieb“.

Quelle: IGBCE

Andrea Arcais, Geschäftsführer der Stiftung, betonte gleich zu Beginn noch einmal den Unterschied dieser zu anderen Diskussionen zum Thema Transformation, der im Fokus auf die demokratische Betrachtung der Transformationsfragen und -prozesse und die betriebliche Perspektive liegt. Arcais kritisierte, dass zu häufig der Blick vor allem auf das falle, was im Zuge der Transformation nicht funktioniere. „Deshalb wollen wir uns fragen, was wir tun können“, sagte er. „Wir wollen Methoden, Systeme und Spielregeln diskutieren. Und eine Spielregel heißt ganz klar: Demokratie.“ Aus ihr erwachse eine Verpflichtung für jede und jeden. „Solange der Kopf klar ist, sind wir mitverantwortlich“, brachte Arcais die gesamtgesellschaftliche Aufgabe zur (Mit-)Gestaltung mit einem Zitat von SPD-Urgestein Franz Müntefering auf den Punkt.

Vertrauen und Verlässlichkeit schaffen

Zunächst ging es um die Frage nach der Deutschlandgeschwindigkeit und danach, wer und was die Transformation vorantreibt. Sie diskutierten Alexander Bercht, Mitglied des Vorstands der Stiftung und des geschäftsführenden Hauptvorstands der IGBCE, sowie die Bundestagsmitglieder Andreas Audretsch (Bündnis 90/Die Grünen) und Dr. Lukas Köhler (FDP) vor allem unter den Aspekten Vertrauen und Verlässlichkeit. „Die Transformationsprozesse und -schritte müssen verbindlich sein, auch über jeden politischen Wechsel hinaus“, betonte Alexander Bercht. Natürlich dürfe und müsse auch gestritten werden, wie es Lukas Köhler forderte. Aber nicht auf Kosten der Beschäftigten und nicht zulasten von Verlässlichkeit und Geschwindigkeit oder des Investitionswillens von Unternehmen. Andreas Audretsch unterstrich am Beispiel der Elektromobilität, wie sehr Brüche zu einer Verunsicherung der Menschen führten: „Da werden von heute auf morgen die Subventionen für E-Autos gestrichen – dabei ist das, was wir in diesem Prozess brauchen, Commitment und ein entsprechendes Umfeld, das mitzieht.“ Auf die Frage aus dem Publikum danach, was mit den Sorgen der Beschäftigten beispielsweise vor einem Fachkräftemangel sei, antwortete Bercht: „Wenn wir vieles richtig machen, wird es keinen Mangel geben.“ Und er verwies darauf: „Da, wo wir Tarifverträge gemacht haben, die vorausschauen, sind wir gut aufgestellt. Wir müssen aber immer wieder überprüfen: Stimmen diese Vereinbarungen mit dem Tenor ‚Wir investieren in die Transformation und dafür bleibt ihr hier am Standort‘, noch?“

Betriebsräte stärken

Der zweite Teil der Konferenz stand unter der Fragestellung: „Gestalten statt mitnehmen – betriebliche Demokratie als ein Schlüssel für die Transformation im Unternehmen“. Klar war man sich auf dem Podium darüber: Es braucht beides. Vor allem braucht es Veränderungen in der Arbeit der Gremien im Betrieb, wie etwa Andrea Sacher, Betriebsratsvorsitzende bei Bayer Berlin und stellvertretende Vorsitzende des Bayer-Gesamtbetriebsrats, betonte: „Wir erleben, dass die Transformation in Bezug auf die Fachkräftequalifizierung stockt, insbesondere in kleinen Betrieben und kleinen Abteilungen. Dort guckt man auf das, was ist, und fragt sich nicht, ‚Was ist in fünf Jahren?‘.“ Die stellvertretende IGBCE-Vorsitzende Birgit Biermann sprach sich deshalb dafür aus, die Einflussmöglichkeiten der betrieblichen Gremien auf unternehmerische Prozesse und Entscheidungen zu erweitern: „Umso früher man die Betriebsräte mitnimmt, umso weniger hakt es im Transformationsprozess“, ist sie sich sicher. Auch, wenn individuell und gemeinsam mit den Betriebsräten geguckt werde, „Was bedeutet Transformation für den eigenen Betrieb überhaupt?“. Für unerlässlich hält Biermann auch eine Trendwende in der gewerkschaftlichen Mitarbeit: „Ein Mitgliederbonus wie im jüngst abgeschlossenen Chemie-Tarifvertrag ist ein wichtiger Schritt, aber nicht alles“, sagte sie. „Wir müssen den Wert gewerkschaftlicher Mitarbeit wieder in den Fokus nehmen. Und wir müssen alternative Mitbestimmungskonzepte entwickeln.“ Aber: „Dafür gibt es keine Blaupause. Solche Konzepte entstehen im guten Austausch der Sozialpartner, mit den gewerkschaftlichen Vertreterinnen und Vertretern im Betrieb.“ Für eine Aktualisierung der Bedingungen von Betriebsratsarbeit sprach sich auch Dr. Ernesto Klengel, wissenschaftlicher Direktor des Hugo Sinzheimer Instituts für Arbeits- und Sozialrecht der Hans-Böckler-Stiftung, aus. „Wir bauchen eine Anpassung des Betriebsverfassungsgesetzes auf die neue Zeit“, sagte er. Dr. Andreas Bodemer, Leiter Europa-Büro der IGBCE in Brüssel, plädierte dafür, Mitbestimmung mehr in Richtung Europa zu denken und sich dort stärker zu vernetzen. „Betriebsräte brauchen mehr Rechte, mehr Kapazitäten und Ressourcen“, sagte er. „Dafür ist die Revision der Richtlinien über Europäische Betriebsräte ein wichtiger Schritt.“

Den Blick auf Europa drehen

Europa und die jüngst stattgefunden Wahlen standen im Fokus des dritten Teils der Veranstaltung. Francesco Grioli, Mitglied des geschäftsführenden IGBCE-Hauptvorstands, zeigte sich sorgenvoll in Anbetracht der Tendenzen und Gesinnungen, die die Europa-Wahl offenbart habe. „Das ist elementarer als die fünf bis zehn Prozent Rechtsextremer in den Parlamenten, mit denen umzugehen wir gewohnt sind.“ Gleichzeitig sei er „zornig“, dass es Politik und Gewerkschaften nicht gelungen sei, echte Alternativen zu bieten. Mit Sorge blicke er deshalb auf die Auswirkungen der Wahl auf das, was in der Europäischen Union passiert. Genauso geht es Claudia Detsch, Leiterin Kompetenzzentrum „Just Climate“ der Friedrich-Ebert-Stiftung in Brüssel: „Durch das Erstarken anti-europäischer Kräfte wird vieles, was bereits entschieden und in Gang gesetzt wurde, wieder hinterfragt“, sagte sie. „Das führt zu Verzögerungen im Transformationsprozess. Ein gefährlicher Moment.“ Auch Jens Geier MdEP (S&D Fraktion) sieht diese Gefahr. Er mahnte: „Wir müssen uns fragen: Mit welchen sozialen Kräften können wir unsere Ziele umsetzen? Erreichen wir unsere Ziele? Und was macht das mit dem Thema Konkurrenzfähigkeit?“ Alle drei waren sich darin einig, dass die Menschen eine Diskrepanz in dem sehen, was in Europa entschieden wird und dem, was sie vor ihrer Haustür erleben. „Es gibt eine politische Transformationslinie, die eine stetige Entwicklung beschreibt, aber die Menschen empfinden Brüche“, sagte Grioli. Deshalb brauche es konkrete Pläne, für die Beschäftigten, für die Unternehmen. Und mit den Betriebsräten. Gleichzeitig müssten gute Rahmenbedingungen und Programme, die aus der EU kommen, auch im privaten Erleben mit dieser verknüpft werden. „Wir müssen den Blick auf Europa drehen“, sagte Grioli.