Wenn ich Schlagzeilen mit Titeln wie „Schaf-Massaker im Osterholzer Wohngebiet. Wolfangst am Gartenzaun“ aus der BILD-Zeitung sehe, werden mir Bilder von gerissenen Schafen in den Kopf gesetzt und eine große Angst vorm bösen Wolf suggeriert. Dabei werde ja gar nicht ich persönlich bedroht. Dennoch bekomme ich das Gefühl, dass ich gut daran täte, mich zu fürchten. Es ist ein Spiel mit der Angst vor dem Raubtier, das uns unsere existenzielle Grundlage rauben und unser Leben gefährden kann.
Die Frage, was eigentlich eine Bedrohung darstellt, stellt sich auch in Markus Thielemanns Roman „Von Norden rollt ein Donner“. Thielemann zeichnet in ihm einen Ort, der nicht nur idyllische Landschaften zu bieten hat, sondern fokussiert sich auf die düsteren und mystischen Seiten der Lüneburger Heide. Diese Stimmung kreiert er unter anderem durch die fast schon beiläufige Beschreibung der Militärübungen auf dem Truppenübungsplatz in Bergen, die Jannis hört, wenn er tagein, tagaus die Heidschnucken der Familie über die Weiden der Heide treibt. Die Bedrohung liegt aber vor allem im Unsichtbaren. Gibt es den Wolf wirklich? Wer ist die mystische Frau, die Jannis auf der Weide erscheint? Der Autor hat sich mit der Lüneburger Heide einen Ort ausgesucht, den viele Legenden umranken, den eine teilweise unaufgearbeitete Nazivergangenheit prägt und den sich völkische Siedler gerne aussuchen, um sich niederzulassen und ihren rechten Ideologien nachzugehen.
Durch dieses Spiel zwischen dem, was real und was eingebildet ist, liest sich der Roman von Thielemann beinahe wie ein Thriller. Es geht um Regionalität, Generationen, Heimat und darum, wann Heimat zu wörtlich genommen wird. Dabei verurteilt der Autor die Region nicht, sondern zeichnet ein metaphorisches Bild des Rechtsruckes, das einen in seinen Bann zieht und über die aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen nachdenken lässt.